Die meditative Wirkung
von Qi Gong

 

 

QiGong am Abend

Zentrierte und fokussierte Aufmerksamkeit

Weit gefasst verzweigt sich die Meditation in zwei Äste, einer zentrierten oder fokussierten Aufmerksamkeit und einem offen gehaltenen Gewahrsein.

 

Die zentrierte Aufmerksamkeit

Der Übende konzentriert sich auf ein wiederkehrendes, innerlich betrachtetes Element: Der Atem zum Beispiel, oder ein sich wiederholender Laut- oder Klang, manchmal ein Mantra, eine Wortschleife. Ein innerlich evoziertes Bild kann ebenso Ziel der fokussierten Aufmerksamkeit während der Übung sein.


Das geöffnete Gewahrsein

Der Übende betrachtet alles, was um ihn herum geschieht mit einer offenen Neugier. Ein geöffnetes Bewusstsein – für Alles, und zwar ohne Eingrenzung. Damit ist folgendes gemeint: Der Übende richtet sich in seiner Betrachtung nicht konkret auf ein bestimmtes Objekt aus, sondern lässt das Beobachtete geradezu in sich eintropfen. Die Wahrnehmung all dessen sollte ohne Bewerten des Betrachteten geschehen, was nicht leicht ist.

 

Das meditative Element in der Praxis von QiGong

Der meditative Teil von QiGong-Übungen richtet sich an der zentrierten Aufmerksamkeit aus. Die Meditation im QiGong ist eine conditio sine qua non für ein vertieftes Einsinken in die Übung. Das Lösen von einem „äußeren“ Muss. So richtet sich die Konzentration in der Übung darauf, sich beispielsweise „der Erde anzuvertrauen“. Damit ist das Sinkenlassen jeglicher Belastungen gemeint, die unseren Körper und/oder unsere Seele möglicherweise beschweren.

 

Die natürliche, aber bewusste Atmung als inneres Bildprogramm

Ein Helfer zur innerlichen Verdichtung dieser Zentrierung der Aufmerksamkeit ist der Fluss des Atems. Dies geschieht ohne das Imperativ des „Ich-muss-den-Atem-wahrnehmen“, sondern mit der bloßen Beobachtung des Kommens und Gehens unseres Atems. Die zunächst kühle, dann sich erwärmende Luft auf dem Weg in den Körper zu begleiten. Wenn sich der Übende jetzt vorstellt, den Atem über den Lungenboden hinaus, bis in den Bereich des Nabels zu begleiten, entstehen weitere Bilder: Bei der Einatmung wird das Anheben des Bauches spür-und wahrnehmbar, beim Ausatmen zieht der Bauch nach innen und scheint die Wirbelsäule zu suchen. Mit fortschreitender Zeit des Übens manifestiert sich diese bewusste und gesunde Atemtechnik und wird zum Automatismus.


Ein weiterer Punkt ist das Aktivieren der Vorstellungskraft. Das Verbinden mit der Position der Füße. Der Übende stellt sich vor bis zu den Knöcheln im Boden zu versinken. Ein Bild könnte das eines Strandes sein, an dem Du an der Ablaufkante des Punktes stehst, an dem die Wellen ihre Kraft verlieren und einen letzten Rest Geschäumtes auf dem Sandboden zurücklassen, bevor sie sich mit einem sanften Abrollen wieder mit dem Meereskörper vereinen. Ein fast mythischer Rhythmus ewiger Wiederholungen, ein Zeit-Raum-Kontinuum und Erlebens von Kommen und Gehen. Die oberste Schicht des Sandes ist noch feucht und glänzend, aber bereits verdichtet und nicht porös. Hier graben sich die Füße langsam in den Sand. Die Fersen sinken in die oberste Schicht des Sandes und die Zehen krallen sich sanft in den Boden des Strandes. Dessen angenehme Masse umschließt Deine schulterbreit stehenden Füße. Ein Fundament ist spürbar, und eine Tendenz sich nach unten stabilisierender Kraft. Dein Becken sucht die Erde, der Rücken indes ist lang und der Kopf ist, wie von einem Faden nach oben zum Himmel gezogen. Ein ebenso waches, konzentriertes wie leichtes Aufgespannt-Sein. Mit der Zeit an Übung steigen die Kräft aus der Erde nach oben in den Bereich des Beckens, der Nierenenergie. Ebenso breitet sich eine innere Ruhe aus, der Geist klärt sich.

 

Ein Harmoniespiel der Wirkkräfte

Das Prinzip von Qigong zielt auf die Harmonisierung der Kräfte. Ein basales Prinzip von QiGong ist die Verbindung von gegensätzlichen Aspekten wie Ruhe und Bewegung, Spannung und Entspannung, Sinken und Steigen, Öffnen und Schließen, Halten und Lösen. Die zunächst gegensätzlich erscheinenden Elemente bedingen einander, sind sogar in Stücken Teil voneinander und verschmelzen im Prinzip von Qi Gong zu einer Einheit und zielen auf ein stabiles und harmonisches Gleichgewicht im Menschen. Vor dem Hintergrund der geschilderten Erläuterungen ist der Begriff des Stillen QiGongs im westlichen Sprachverständnis möglicherweise irritierend. Fernöstliche Bewegungskünste erkennen in der Stille etwas Relatives, nicht Absolutes.

 

 

„In der Bewegung liegt zu jeder Zeit Ruhe,

wie in jeder Ruhe immer Bewegung schwingt“.

 

 

<< Zurück